Posted on: 18. Oktober 2023 Posted by: gregor Comments: 0

Der Österreichische Friseur führte im Oktober 2023 mit Peter Schaider und Peter Schaider junior ein Gespräch über die Herausforderungen und Entwicklungen in der Friseurbranche, ihren Erfahrungen in der Lehrlingsausbildung und ihre Pläne für die Zukunft von Intercoiffeur Strassl-Schaider.

DOEF: Welche Herausforderungen seht ihr im Moment in der Friseurbranche?

Peter Schaider (PS): Es ist eine Veränderung im Gange, die sehr interessant ist und wo wir sehr gefordert werden. Die Mitarbeiterproblematik ist natürlich im Wandel begriffen, jedoch nicht in einer Situation, wo man sagt, die ist aussichtlos.

Peter Schaider junior (PSJ): Wir sind sehr zufrieden derzeit mit der Mitarbeitersituation. Natürlich muss man sehr dahinter sein. Der Grund, warum es mit unseren Mitarbeiter/innen gut geht ist, dass wir sehr viel ausbilden. Auch in der Lehrlingssituation: Wir bekommen weniger Lehrlinge, die sind aber qualitativ hochwertiger. Früher haben wir im Jahr 120 bis 140 Lehrlinge aufgenommen und nach drei Monaten waren es 70 – 80 Lehrlinge.

Jetzt nehmen wir 90 bis 100 Lehrlinge auf, jedoch übernehmen wir 70-80 Lehrlinge die die Ausbildung bei uns absolvieren. Dementsprechend ist die Qualität insgesamt besser geworden.

DOEF: Wenn du deine 39 jährige Berufserfahrung in der Friseurbranche Revue passieren lässt, wie haben sich die Lehrlinge geändert, wie hat sich die Herangehensweise verändert?

PS: Vor 15 bis 20 Jahren war die Lehrlingssituation so, dass sich die Lehrlinge bereits im November bzw. Dezember für das nächste Jahr vorgestellt haben und im Jänner bis Juni bereits zu den Trainingsabenden gekommen sind. Da haben sie schon Kopfwaschen, Farbe auftragen, Augenbrauen, Wimpernfärben und Dauerwelle fixieren gelernt. Die Lehrlinge haben bereits davor angefangen zu lernen, und haben dadurch viele Nebenarbeiten schon beherrscht. Das hat sich halt geändert. Momentan schaut es im Juni bzw. Juli bei der Lehrlingssituation noch sehr schlecht aus, im September/Oktober kommt dann auf einmal der Ansturm wie eine Granate.

PSJ: Den Sommer gönnen sich die heutigen Lehrlinge halt.

DOEF: Die Generation „Worklife-Balance“: Ist Halbtagsbeschäftigung, geringfügige Beschäftigung 4- Tage –Woche eine Problemzone bei euch?

PSJ: Für uns ist das grundsätzlich kein Problem, wir sind aber jeweils für volle, sprich ganze Tage, das kann zwischen einem und fünf Tage variieren, bis zu 40 Stunden. Das ist absolut kein Thema.

PS: Wir haben sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die 35 Stunden an vier Tagen beschäftigt sind, viele Teilzeitkräfte mit 2 oder 3 Tagen. Wir haben jedoch keine bzw. sehr wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die lediglich von 9 bis 14 Uhr arbeiten.

DOEF: Man spricht in der Branche oft von Fachkräftemangel – ihr seid zufrieden mit dem Stand, aber trotzdem ist es für viele in der Branche eine Herausforderung Mitarbeiter bzw. Lehrlinge zu finden. Wie seht ihr als größter Lehrlingsausbildner mit bisher insgesamt 2.500 ausgebildeten Lehrlingen in Österreich die Entwicklung in der Ausbildung der Friseurbranche?

PSJ: Die Lehrlingsausbildung ist eines der wichtigsten Themen heute, weil wir bekommen qualitativ hochwertige Lehrlinge, die auch dementsprechend fordern. Deshalb bieten wir den Hairstylisten und Make-up Artisten gemeinsam mit der Berufsschule auf einem hohen Level an und ergänzen die Ausbildung mit eigenen Schulungen mit Wella oder L´Oréal (Matrix) sowie auch noch mit unseren internen Schulungen, zB. mit unserer Eigenmarke Bionic.

DOEF: Habt ihr eigene Klassen in der Berufsschule?

PSJ: Wir haben in Wien vier eigene Klassen, davon zwei in der ersten, jeweils eine zweite und dritte Klasse. In Niederösterreich haben wir jeweils eine Klasse.

DOEF: Diese Aussage ist eigentlich diametral unterschiedlich, was man von vielen Branchenkolleginnen und –kollegen hört, die sich beklagen, dass sie keine Lehrlinge bekommen oder die Qualität sehr schlecht ist. Wo seht ihr den Unterschied, was macht ihr anders?

PSJ: Wir haben über Jahrzehnte ein entsprechendes Image aufgebaut. Da muss ich meinen Vater wirklich danken, das ist eine sehr, sehr lange und harte Arbeit. Wir sind, glaube ich, in der Größe des Unternehmens, das letzte Premiumunternehmen in der Branche. Es sind leider sehr viele Namen vom Markt verschwunden. Für Lehrlinge ist daher entscheidend: Wo bekommt man Qualität? Wo kann man sich weiterentwickeln und auch weiterkommen? Es gibt viele Einzelgeschäfte, dort gibt es jedoch geringere Aufstiegsmöglichkeiten. Bei uns sind die Aufstiegsmöglichkeiten aufgrund der Größe deutlich  höher zum Top stylisten, Ausbildner, Salonleiter bis zum Partner.

PS: Man muss auch anmerken, Lehrlinge kosten sehr viel Geld, das sich viele Betriebe nicht mehr leisten wollen oder können. Vor 5 Jahren haben wir jeden Lehrlingen aufgenommen, da waren die Salonleiter der Meinung, bevor ich keinen habe, lieber einen schwachen Lehrling. Diese Situation haben wir jetzt noch teilweise. Diese Lehrlinge sind eher ein Auslaufmodell. Jetzt, was wirklich nachkommt sind Lehrlinge, die wirklich wollen und das Unternehmen Strassl-Schaider schätzen, wo ein gewisser Background und Hintergrund vorhanden ist.

Viele Lehrberufe haben derzeit kein gutes Image.  Zum Beispiel, wenn wir zum Optiker gehen,  auch ein Lehrberuf, und führen dort ein Fachgespräch über Sehstärke und -schärfe denkt  man sich: Toll, was der alles weiß.

Mit der Kundin oder Kundin ein fachlich fundiertes Gespräch zu führen, zB. über juckende Kopfhaut und gleich ein passendes Produkt zu verkaufen, das ist auch für den Friseurberuf erstrebenswert.

DOEF: Das Image der Marke Strassl-Schaider wirkt stärker als das Image der Branche?

PS: Ja, so ist es. Das Image, das wir über die letzten Jahrzehnte erarbeitet haben, ist positiv. Das spiegelt sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wider. Sie schätzen die Sicherheit der Firma. Der Großteil ist zwischen 10 und 39 Jahre bei uns beschäftigt. Wir sind sehr, sehr stolz, dass wir sehr viele gute Mitarbeiter haben. Die Mitarbeiter haben die Verlässlichkeit der Firma auch in der Corona-Pandemie Zeit gespürt. Es wurde kein einziger Mitarbeiter entlassen. Die Mitarbeiter haben stets überpünktlich das Gehalt bekommen, auch in der Pandemie. Das hat sich herumgesprochen.

PSJ: Viele Branchenkollegen haben sich in der Pandemie von Mitarbeitern getrennt. Nach dem ersten Lockdown sind 90 % des Personals zurückgekommen, nach dem zweiten und dritte Lockdown war es nicht mehr so. Unternehmen, die so mit ihren Mitarbeitern umgegangen sind, finden schwer neues Personal. Man kann nicht nur in guten Zeiten zueinander stehen, das gilt auch für schwierige Zeiten. Das haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter miterlebt. Und etwas sollte man nicht unterschätzen: Sie haben das Gefühl, es geht bei uns als Familienunternehmen weiter. Mein Vater, meine Mutter und ich sind im Betrieb. Wir spielen das nicht, wir leben das Miteinander und das spürt unser Team.

Es macht mich stolz, dass ich mindestens 95 % der Stylisten beim Namen kenne und zu jeden eine Geschichte erzählen kann. Wir haben derzeit rund 330 Stylisten und 150 Lehrlinge in unserer Firma/Familie. Das macht den Unterschied. Die Mitarbeiter wollen die Stärke eines Unternehmens haben, sie wollen aber auch gesehen werden und Wertschätzung erfahren. 

PS (lacht): Miteinander schaffen wir 100 %, ich kenne die älteren, du kennst die jüngeren.

PSJ (zwinkernd): Zusammen schaffen wir dann aber 160 %, viele kennen wir ja doppelt.

DOEF: Ihr habt beide mit Covid ein wichtiges Thema angesprochen. Viele Kunden sind während der Lockdowns abgewandert.

PSJ: Man muss schon sagen, dass ein gewisser Kundenteil, ca. 10 bis 12 % der Kunden fehlt. Ein erheblicher Teil, die Sahne mit der Kirsche obendrauf. 

Viele sind zurückgekommen, weil sie schätzen, dass sie sich in einer schönen Atmosphäre befinden, eine gute Kopfmassage erhalten und sich verwöhnen lassen können. Wir bieten auch eine Produktvielfalt und Menge, mit mindestens 100 verschiedene Farbnuancierungen in ausreichender Stückzahl und haben jegliche Pflegeprodukte vor Ort wohingegen bei einem mobilen Friseur bzw. im Graumarkt das nicht möglich ist.

PS: Es gibt eine große Anzahl an unseriösen EPUs (Anmerkung der Redaktion: Ein-Personen-Unternehmen) in Wien und Niederösterreich. Diese arbeiten mit nicht oder nicht korrekt angemeldeten Personal und können Dienstleistungen sehr günstig anbieten. Für Arbeitsinspektoren sind diese Unternehmen leider schwer greifbar. Die Leute schätzen, dass wir ein österreichisches Familienunternehmen sind. Und das obwohl wir die Preise voriges Jahr um 8% angehoben haben und auch die Mitarbeiter dementsprechend gut bezahlt haben.

Ich habe selbst im ersten Bezirk gearbeitet und habe mich vor 40 Jahren entschieden, kein Promifriseur in der Stadt zu werden, sondern die Nr.1 in der Vorstadt zu sein, ob das in der Donaustadt oder in Simmering ist.

PSJ: Da muss ich kurz einhaken. Wir mussten nicht mit Lohnerhöhungen werben. Das war und ist bei uns Standard. Wir haben die Gehälter dementsprechend erhöht. Natürlich ist es leichter um 8 bis 10% zu erhöhen, wenn die Basis niedrig ist.

PS: Eine Stylistin bzw. ein Stylist mit 40 Stunden verdient bei Intercoiffeur Strassl-Schaider zwischen 2.500 bis 4.000 netto mit Lohn Provision und Trinkgeld, dies ist leistungsabhängig. Die Mitarbeiter schätzen das, die Frequenz ist hoch, und das Trinkgeld ebenfalls dementsprechend. Wir sind daher mit Provision ca. 20% bis 40% über dem Kollektivvertrag. Wichtig ist dabei auch, dass die Mitarbeiter ihr Gehalt immer pünktlich am 25. auf dem Konto erhalten. Bei uns wird die Provision 14x ausgezahlt und nicht 12x wie gesetzlich vorgesehen. 

PSJ: Das ist insbesondere ein steuerrechtlicher Vorteil für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Provision zum 13. und 14. Gehalt wird als Sonderzahlung nur mit 6% versteuert, wodurch das Jahresnetto dementsprechend steigt. Natürlich haben wir auch Sonderprämien wie Leistungsprämien für herausragende jährliche Leistungen.

DOEF: Ihr zahlt über Kollektivvertrag. Die Wirtschaft geht zurück. Die Inflation steigt. Wie geht es euch in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation?

PS: Wir haben das erfolgreichste Jahr in der FIrmengeschichte, also umsatzmäßig, ertragsmäßig werden wir sehen. Wir sind nicht schlecht unterwegs. Warum? Es hat sich viel in der Friseurbranche getan.

PSJ: Wir haben uns auf zwei Beine gestellt, den Premium Bereich mit Intercoiffeur Strassl-Schaider – Diese Kundschaft spürt die Inflation, kann es sich aber leisten und ist weniger betroffen. Dieser Bereich verringert vielleicht die Intervalle um 10%.

Im Low Budget Bereich mit der Marke Hair Fair passiert das Gegenteil. Hair fair erhält neue Kundschaften, die eher aus dem Mittelpreissegment kommen. Hair Fair steht für schnelles Travelling: eine schnelle Frisur, mit hoher Qualität und wenig „CHICHI“ rundherum.

In einer Zeit, in der sich unsere Branche so stark verändert hat durch Verkleinerungen – Schließungen bis hin zu Konkursen haben wir die Chance ergriffen. Wir haben Standorte mit den Mitarbeitern übernommen, haben diese auf modernste Standards umgebaut und den Mitarbeiten einen sicheren Arbeitsplatz in unser Unternehmen ermöglicht. Aber dies war und ist nur möglich durch Jahrzehnte lange Kontrolle unserer Kosten. Wir haben nie viel Geld aus der Firma genommen, sondern haben stetig in unsere Zukunft investiert, in neue Salons / Refreshings der Salons, in Image, in eine eigene Produktmarke BIONIC und unseren wichtigsten Ausgaben-Block die Schulung, Entwicklung und in die Löhne unserer Mitarbeiter.

Genauso wenn sich etwas ergeben sollte, wie ein neuer Standort oder vielleicht schon einen bestehenden Salon, wo sich der Besitzer vielleicht zurückziehen möchte, sind wir immer offen. Niemals stehen bleiben, sonst wird man überholt.

DOEF: Ihr seid ein starkes Team im Interview. Wie teilt ihr euch die Aufgaben auf? Wie geht es weiter?

PSJ: 2024 wird das 40 Jahre Jubiläum gefeiert. Papa hat 40 Jahre die Firma geführt und er geht 2025 – man sieht es ihm nicht an – in Pension. Er wird aber weiterarbeiten, er ist für den Zahlenbereich im Hintergrund zuständig und natürlich für Mitarbeiter, die schon 20 Jahre mit ihm arbeiten. Ich übernehme die jüngere Generation, mit der ich schon 15 Jahre zusammenarbeite. Wir brauchen keine Übergabe oder Mentoring. 

PS: Wir ergänzen uns ganz einfach. Ein tolles Miteinander. 2024 wird das Jubiläumsjahr, da lassen wir uns noch einiges einfallen. Was kommen wird, ist das Jahr der Welle – ein neues Wellensystem. Wir sind da schon sehr weit. Es muss sich in der Friseurbranche etwas tun. Vielleicht organisiere ich auch wieder einen Hairkongress. Ich habe ja bereits vier Kongresse veranstaltet.

PSJ: Da muss man auch mit einer Sache aufräumen, es wird in Österreich immer gesagt, da ist nicht so viel los wie in Düsseldorf. Da muss man wertfrei sagen, Düsseldorf hat ein 10fach größeres Einzugsgebiet. Es war für die Firmen auch immer wichtig, sich zu präsentieren.

Der Fehler der Firmen liegt darin, dass sie nicht mehr an die Kunden herankommen. Wenn wir heute sagen, wir stellen euch von Marke x auf Marke y um, ist es den Mitarbeitern egal, weil sie keine Emotion zum Produkt wie früher haben.

PS: Die Veranstaltungen haben an Wertigkeit verloren. Früher bin ich mit fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Paris oder London geflogen und mit den neuen Trends zurückgekommen. Zwei Tage später hat es von den Salonmanagern ein Training gegeben, wo die neuen Schnitte präsentiert wurden, von der Salonleitung oder von mir. Heute gibt es tolle Shows, aber es sind keine Trends. Die Branche ist ideenlos. In der Textilbranche wechselt es einmal von kurz, auf lang, dann Ausschnitt, dann geschlossen, dann gewisse Farben wie aktuell rot und blau.

PSJ: Es fehlt eine gewisse Richtung. Das gibt es bei Friseure nicht mehr. Es werden Frisuren auf der Bühne gezeigt, wo nichts Tragbares gezeigt wird, wenn dann ganz minimalistisch tragbar. Was soll man damit machen?

DOEF: Kann man sagen, dass die Modetrends, die man jetzt sieht, sofern vorhanden, eigentlich unterstützen, dass der Kunde seltener zum Friseur gehen muss, Stichwort „Balayage“?

PSJ: Das ist eine super Aussage. Es zählt nur die Show, nicht unterm Strich das fachliche Talent dahinter.

PS: Das ist eindeutig so. Früher ist unser Beruf auf vier Beinen gestanden: Frisur, Schnitt, Farbe und die Welle sowie den Verkauf. Auf einem Sessel mit vier Beinen da sitze ich sicher.

Mittlerweile haben wir nur mehr zwei Beine: Schnitt und Farbe, weil die Frisur haben uns die Firmen mit dem täglichen Haarewaschen abgewöhnt. Da hat sich die Frisur wegrationalisiert, das kann man sich nicht leisten.

Die Welle wurde von den Firmen kaputt gemacht, als die Wellenprodukte im Supermarkt angeboten wurden. Die Welle setzt fachliches Können voraus. 

Der letzte Schrei war die Balayage – den Kunden wurde gesagt, es ist cool, mit Nachwuchs. Die Friseure können 200 bis 300 Euro einmal im Jahr verrechnen. Aus einer Kundin, die dreimal im Jahr gekommen ist, das sind jeweils rund 150 Euro, wurde der halbe Umsatz wegrationalisiert.

Wir leben nicht von Inszenierung sondern wir leben von unseren Kundinnen und Kunden. 

Danke für das Gespräch